Arbeitsfähigkeit
Die arbeitswissenschaftliche Forschung in Finnland hat sich bereits vor gut 30 Jahren der Frage des Erhalts bzw. der Verbesserung der Arbeitsfähigkeit von Beschäftigten unter sich wandelnden persönlichen und organisationalen Bedingungen zugewandt. Wesentliche Resultate sind dabei das Konzept der „Förderung der Arbeitsfähigkeit“ (Work Ability Concept) und das Erhebungsinstrument zur Erfassung der Arbeitsfähigkeit: der Arbeitsbewältigungs-Index (Work Ability Index – WAI).
Nach Ilmarinen (1999a) definiert sich Arbeitsfähigkeit als das Verhältnis der individuellen Leistungsfähigkeit zu den konkreten, vom Unternehmen gestellten Arbeitsanforderungen. Im Mittelpunkt steht dabei das Potenzial der MitarbeiterInnen, eine bestimmte Arbeitstätigkeit zu einem gegebenen Zeitpunkt zu bewältigen.
Ziel des Konzepts „Förderung der Arbeitsfähigkeit“ ist es, dass die Arbeitsanforderung und die individuellen Kapazitäten der Beschäftigten mittel- und langfristig in einem ausgewogenen, stabilen Verhältnis stehen.
Haus der Arbeitsfähigkeit
Ilmarinen beschreibt die Faktoren, die die Arbeitsfähigkeit bestimmen, im Bild des Hauses der Arbeitsfähigkeit. Dieses Haus besitzt vier Etagen. Die erste Ebene beschreibt die individuellen Faktoren (persönliches Gesundheitsverhalten), die anderen drei die Faktoren aus dem Arbeitskontext der Organisation (Arbeitsbedingungen, Kompetenz, Werte…) in ihrer Wechselwirkung mit der Person. Die Entwicklung der Arbeitsfähigkeit der Beschäftigten hängt also davon ab, wie stabil dieses Haus gebaut ist und wie gute es instand gehalten wird. Diese vier Etagen sowie das persönliche Umfeld sind die Handlungsebenen, um für eine gute Arbeitsfähigkeit zu sorgen.
Aus diesem Konzept der Arbeitsfähigkeit wurde das Werkzeug des „Arbeitsbewältigungs-Coachings®“ entwickelt. Es stellt ein Beratungswerkzeug dar, das den Wandel von Erwerbspersonen und Betrieben in den Mittelpunkt stellt und die Beteiligten in die Lage versetzt, ihre Zukunft vorsorgend zu gestalten. Ausgangspunkt sind die Bedürfnisse der Individuen in Bezug auf die an sie gestellten Arbeitsanforderungen und die kontinuierliche Abstimmung dieser beiden Größen zur Erhaltung und Förderung der Arbeitsfähigkeit. Dieses Werkzeug nimmt gleichermaßen die individuellen und organisationalen Einflussfaktoren auf die Arbeitsfähigkeit in den Blick.
Arbeitsbewältigungs-Coaching® als Prozess
Plant ein Unternehmen ein Arbeitsbewältigungs-Coaching® durchzuführen, beginnt der Prozess mit einem gemeinsam getragenen Beschluss der Unternehmensführung und der Mitarbeitervertretung. Er beinhaltet, in welchem Bereich bzw. die Zielgruppe, mit der das Arbeitsbewältigungs-Coaching durchgeführt werden soll. In diesem Rahmen verpflichtet sich das Unternehmen, mindestens eine der Maßnahmen, die die Mitarbeitern dabei vorgeschlagen, umzusetzen.
Nach der Information der Belegschaft erhält jeder Beschäftigte der Zielgruppe die Möglichkeit, an einem persönlich-vertraulichen Coachinggespräch AB-C teilzunehmen.
Im Mittelpunkt des ca. 60-minütigen Gesprächs steht die / der Beschäftigte. Vertraulichkeit im Umgang mit den personenbezogenen Daten und Inhalten des Gesprächs sind Grundvoraussetzung für das Gelingen und die positive Wirkung.
Im ersten Teil wird die aktuelle Arbeitsbewältigungssituation mit Hilfe des „Work Ability Index“ erhoben, für die Gesprächspartner sichtbar gemacht und erläutert. Darauf aufbauend wird der Gesprächspartner mit Fragen angeleitet, geeignete persönliche sowie betriebliche Maßnahmen zur Erhaltung bzw. Verbesserung seiner Fähigkeiten zur Arbeitsbewältigung zu suchen und konkrete Umsetzungsschritte zu überlegen. Die Personen schließen mit sich selbst einen Gestaltungs-Vertrag.
Die Resultate aller persönlich-vertraulichen AB-C werden anonym zusammengefasst und den betrieblichen Entscheidungsträgern (einschließlich Belegschaftsvertretung) auf dem betrieblichen AB-C-Workshop zur Kenntnis gebracht. Ziel ist es, auf der Basis der Erkenntnisse über den aktuellen Status der Arbeitsbewältigung der Belegschaft bzw. von Belegschaftsgruppen und den entsprechenden Förderbedarfen nun ebenfalls konkrete betriebliche Fördermaßnahmen zu formulieren – idealerweise auf allen vier Handlungs-ebenen:
• Gesundheitsvorsorge und -förderung
• Arbeitsgestaltung
• Personalentwicklung und Berufsplanung
• Führungs- und Unternehmenskultur.
Die im Workshop beschlossenen Maßnahmen werden schriftlich wie mündlich den Beschäftigten zurückgemeldet, nach Bedarf mit ihnen konkretisiert und in der Folge umgesetzt.